Von einer Meditation haben viele die Vorstellung, dass man dabei an nichts denken darf. Schließlich soll ja das Meditieren den Geist beruhigen. Wer mit dieser Erwartung an die Sache herangeht, wird schnell enttäuscht. In diesem Artikel erfährst du, ob es möglich ist, bei der Meditation an nichts zu denken.
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Ist es möglich, an nichts zu denken?
Bis auf wenige Ausnahmen ist es für einen Menschen nicht möglich, an nichts zu denken.
Was für Ausnahmen sind das?
Zum einen gibt es besondere Bewusstseinszustände außerhalb unseres Wachbewusstseins, z.B. Tiefschlafphasen. Doch ich beschränke mich jetzt einmal auf das Alltagsbewusstsein oder die Meditation.
In diesen Zuständen kann ein untrainierter nur wenige Momente ohne Gedanken sein.
Es existieren aber seltene Fälle, dass Personen über längere Zeit gar nichts denken. Dabei handelt es sich meist um Menschen mit einer sehr intensiven Meditationserfahrung und -praxis, wie z.B. Mönche.
Wissenschaftler berichten von Hinweisen auf solche Phänomene, können aber nicht sicher sagen, ob die untersuchten Personen tatsächlich frei von Gedanken waren.
So lässt sich zwar eine verringerte Hirnaktivität feststellen. Ob die Probanden aber wirklich an nichts dachten, kann nicht zuverlässig nachgewiesen werden. Das lässt sich nämlich nur durch die Befragung der Probanden in Erfahrung bringen [1].
In diesen meditativen Zuständen ist es gut möglich, dass die Personen es schnell wieder vergessen, wenn sie Gedanken haben. Wer nun angibt, nichts gedacht zu haben, könnte sich auch täuschen.
Denn denkbar wäre auch, dass der Proband sehr wohl Gedanken hatte und sich daran einfach nicht mehr erinnern kann.
Außerdem ist oftmals das Zeitgefühl in diesen meditativen Zuständen verändert. D.h., dass die berichteten Erfahrungen eines Probanden sich nicht exakt einem bestimmten Zeitpunkt der Messung zuordnen lassen.
Zustände ohne Gedanken in traditionellen Meditationen
In vielen ostasiatischen Traditionen, so auch im Buddhismus und im Hinduismus strebt man mit Meditation den Zustand Samadhi an. Dabei handelt es sich um einen Bewusstseinszustand, in dem das Denken aufhören soll und man sich ganz dem Meditationsobjekt hingibt.
Samadhi stellt auch eines der 8 Glieder – genannt Angas – im Raja Yoga dar.
Dabei wird in 2 Stufen des Samadhi unterschieden: In das bewusste Samadhi (Samprajnata) und in das überbewusste Samadhi (Asamprajnata).
Beim bewussten Samadhi werden der Beobachter und das beobachtete Objekt noch unterschieden. Im überbewussten Samadhi geht der Beobachter im beobachteten Objekt in einem auf.
Warum können wir nicht nichts denken?
Dies hat auch wieder einmal evolutionäre Gründe. Das bedeutet, dass das Gehirn über solche Funktionen verfügt, die Chancen zum Überleben erhöhen.
Das Gehirn ist ein regelrechter Denkapparat, man könnte auch sagen, es ist eine Assoziationsmaschine. Es wurden Zusammenhänge (Assoziationen) erlernt und in einem Netz gespeichert.
Das gedankliche Aufrufen dieser Zusammenhänge bringt uns zu kreativen Lösungen. Allerdings stellt das Gehirn die ganze Zeit diese verwandten Gedanken zur Verfügung, ob wir sie nun brauchen oder nicht. Denn nicht immer gibt es etwas zu tun, nicht immer müssen Lösungen gefunden werden.
Wer also geistig aktiv ist, stört sich nicht an den Gedanken, die das Gehirn zur Verfügung stellt. Wenn wir miteinander über Sache reden, dann kommen uns die passenden Gedanken in den Sinn.
Erst wenn wir einen Leerlauf haben, wenn wir also für einige Zeit nichts tun, fällt es uns auf, dass uns Gedanken durch den Kopf ziehen. Und möglicherweise stören uns diese Gedanken auch. Vielleicht wäre es uns lieber, keine Gedanken zu haben.
Dieses Problem hat auch mit unserem modernen Lebensstil zu tun. In unserer heutigen Gesellschaft werden wir von einer Unmenge an Informationen überflutet, von E-Mails, Kurznachrichten oder von den Medien.
Wir haben heute zumeist geistige Aufgaben, Berufe, die viel Konzentration erfordern und häufig Informationstechnik zur Hilfe nehmen.
Früher hingegen bestanden die meisten Tätigkeiten aus Handarbeit. Handarbeit kann auch etwas sein, dass uns in einen meditativen Zustand kommen lässt, wodurch wir auch entspannen können. In diesem Zusammenhang empfehle ich meinen Artikel zum Thema: Entspannung durch Basteln
Wie beruhigt man seinen Geist?
Hier geht es nicht darum, komplett keine Gedanken mehr zu haben. Es genügt schon, wenn etwas Ruhe in den Geist einkehrt. Ich habe oben geschrieben, dass geistige, konzentrierte Aktivitäten, sowie die vielen Informationen unsere Gedanken sehr in Unruhe bringen können.
Wer kennt das nicht? Wer intensiv mit dem Kopf gearbeitet hat, erlebt nicht sofort Stille, wenn er aus der Arbeit herausgeht. Das Gedankenkarussell dreht sich weiter.
Viele haben dann Probleme, wenn sie zu meditieren beginnen und sie sich diesem Gedankensturm nun auch noch bewusst zuwenden.
Es benötigt einfach eine gewisse Zeit, bis sich die Gedanken beruhigen. Das ist vergleichbar mit einem Zug, der aus voller Fahrt zum Stehen gebracht werden soll. Dies gelingt auch nicht abrupt.
Eine Lösung kann so etwas sein, wie eine Meditation vor der Meditation.
Damit meine ich eine Aktivität mit meditativem Charakter, die man vor der Meditation macht. Z.B. kannst du ein wenig spazieren gehen und dabei bewusst auf deine Füße achten, wie du sie auf den Boden setzt. Denn auch im Zen-Buddhismus gibt es eine Gehmeditation, nämlich den Kinhin.
Alternativ kannst du auch ein Lied singen, lesen, ruhige Musik hören oder sonst irgendetwas tun, dass dir gerade einfällt. Sei einfach kreativ.
Meditieren heißt nicht nichts denken – was heißt es dann?
Es ist nun klar geworden, dass eine Meditation nicht bedeutet, nichts zu denken. Vielmehr geht es darum, die Gedanken zu beobachten, ohne sie weiterzudenken.
Es sind nämlich nicht nur einzelne Gedanken, die unabhängig voneinander immer wieder in unserem Geist auftauchen. Vielmehr sind es Assoziationsketten, also Reihen von Gedanken, die in einem Zusammenhang stehen. Man könnte auch sagen, es sind Geschichten in unserem Kopf.
Betrachten wir als Beispiel eine Atemmeditation. Bei dieser konzentrieren wir uns auf die Atmung. Dabei werden früher oder später Gedanken auftauchen und wir werden von der Beobachtung des Atems abschweifen.
Nun gilt es, den Fokus wieder auf die Atmung zurückzulenken.
Wer auf diese Weise regelmäßig meditiert, wird beobachten, wie die Phasen gedanklicher Stille immer länger werden. Es wird also immer mehr Zeit vergehen, bis die Aufmerksamkeit von der Atmung abschweift.
Gleichzeitig wird man dies schneller bemerken und rasch zur Atmung zurückkehren. Die Kette an Gedanken wird also nicht so lang sein, bis man feststellt, dass man denkt.
Ein anderer Aspekt dieser Übung besteht darin, zu lernen, die Gedanken nicht zu bewerten und ihnen neutral zu begegnen. Wir ärgern uns nicht darüber, dass Gedanken auftauchen, auch wenn sie uns negativ erscheinen.
Wir heißen die Gedanken willkommen, wir stellen fest, ach, da ist ja ein Gedanke. Anschließend lenken wir unsere Achtsamkeit wieder zur Atmung zurück.
Welchen Nutzen hat diese Meditation?
Meditation hat eine Vielfalt an positiven Auswirkungen auf Körper und Seele. Das regelmäßige Beobachten von Gedanken in Meditationsübungen hilft uns dabei, auch im Alltag schneller festzustellen, wenn Gedanken auftreten.
Denn normalerweise ist es so, dass wir es gar nicht bemerken, dass uns Gedanken in den Sinn kommen. Wir denken zwar, sind uns aber unserer Gedanken nicht bewusst. Wir identifizieren uns mit unseren Gedanken und sind nicht in der Rolle eines Beobachters.
Durch eine regelmäßige Meditationspraxis lassen wir uns also von den Gedanken nicht mehr so mitreißen. Wir handeln dann auch weniger aus dem Affekt.